Wie rettet man Kunst?

Meyer, Fabienne, 2023
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7920-0383-1
Verfasser Meyer, Fabienne Wikipedia
Verfasser Wulff, Sibylle Wikipedia
Beteiligte Personen Leykamm, Martina Wikipedia
Systematik JK - Kunst, Musik
Schlagworte Kunst, Restauration
Verlag Rauch
Ort Düsseldorf
Jahr 2023
Umfang 77 Seiten
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Fabienne Meyer , Sibylle Wulff ; mit Illustrationen von Martina Leykamm
Illustrationsang Illustrationen
Annotation Quelle: STUBE (http://www.stube.at/);
Autor: Heidi Lexe;
Kröte des Monats März 2023
Der ideale Ort um sich die Nase zu pudern, ist das Gästebadezimmer. In den USA wird dafür der Begriff "Restroom" verwendet. Hugo von Rangenstein wartet nun schon seit längerer Zeit darauf, dass ihm in einem solchen "Restroom" das Näschen "restauriert" wird. Nein, kein Wortspiel. Beim "Restroom", in den Hugo von Rangenstein gebracht wurde, handelt es sich buchstäblich um ein Restaurierungsatelier.
Hugos Geschichte beginnt zu einer Zeit und an einem Ort, die in ebendieser Kombination schon in der Filmgeschichte zu aufregenden Ereignissen geführt haben: "Nachts im Museum". Der Plot folgt hier jedoch nicht den überraschenden Entdeckungen des Larry Daley, sondern viel eher den Leidenschaften eines Thomas Crown. Wiewohl der Kunstdieb, der hier am Werk ist, nichts von einem Gentleman hat: Er greift sich Hugo von Rangensteins Portrait und zerrt den jungen Blondlockigen aus dem 19. Jahrhundert durch den Schmutz der übelsten Winkel der Stadt.
Was wie ein "Heist" beginnt führt dennoch nicht ins Genre der Verbrechensliteratur auch wenn sich alles Folgende wie ein Krimi liest. Vielmehr geht es darum, den arg ramponierten Hugo wieder in Form zu bringen, als er endlich in einer abgelegenen Garage gefunden wird. Nicht nur die Restauratorin muss dafür Hand anlegen, sondern gleich ein ganzes Museumsteam. Und schon ist man mit einer charmanten, fiktionalen Einleitung dort gelandet, wo man eigentlich hinmöchte: bei einem Sachbuch über die Materialität von Kunst. Aber auch bei den unterschiedlichen Professionen und Werkzeugen, die dann zum Einsatz kommen, wenn ein Bild gerade nicht im Ausstellungssaal hängt (oder im Archiv eingelagert wird).
Bis dem ramponierten Hugo von Rangenstein im finalen Akt die Nase neu gepinselt wird, sind zahlreiche Arbeitsschritte notwendig: Entlang dieser Arbeitsschritte und damit entlang der titelgebenden Leitfrage wird das Kunstwerk in all seinen Details untersucht, durchleuchtet, wiederhergestellt. Was mit einem Werkzeug-Wimmelbild beginnt, wächst an zu einer faszinierend detailtreuen Darstellung all dessen, was ein Kunstwerk jenseits seiner Ästhetik und Ausdruckskraft ausmacht. Erforscht und untersucht wird das vorerst naturwissenschaftlich-medizinisch: Streiflicht, Durchlicht, Röntgen, Mikroskop oder ultraviolette Strahlung werden genutzt, um die Geheimnisse der Kunst offenzulegen; danach wird das Kunstwerk sogar biopsiert.
Das große Format ermöglicht es, die Ergebnisse durch Bild- und Fotomaterial zu präsentieren und dabei dennoch nie in die konventionelle Aufmachung von Hochglanz-Sachbuch-Formaten zu verfallen: Auf mattem, beigefarbenem Papier, das die Haptik des Dargestellten unterstreicht, werden durch zarte Punkt-Linien kleine Sektionen erschaffen. Damit werden die Sachinformationen übersichtlich strukturiert und können mit Hilfe ganz unterschiedlicher Bild- und Illustrationsformate präsentiert werden.
Doch auch die Aufeinanderfolge der Doppelseiten wird auf charmante Art variiert. Manche sind aufklappbar und präsentieren in doppelter Breite eine kleine Materialkunde: Womit wird auf Papier gearbeitet, womit auf anderem Untergrund? Woraus sind die verwendeten Farben gemacht und woraus jene Skulpturen und mediale Objekte, die in einem Museum gemeinsam mit Gemälden präsentiert werden?
Dazwischen soll die Kurzweil in der Annäherung an die Sachinformation nicht vergessen werden: Was würde die Venus von Milo mit ihren Armen machen? Oder: Wieviele Materialvarianten kennt die Kunst eigentlich? Hunderte, so zeigt sich in einer Seite, auf der in oranger Kreideschrift Aufzählungen im Wort-Schlangen-Format für Staunen sorgen. Von Nougat-Creme über Diamanten und Totenschädel bis zu Kresse, Gips und Silikon reichen die Möglichkeiten und werden gespiegelt in hunderten Varianten, was mit Kunst alles passieren kann. Weggespült, verpufft, beschmiert, begraben und natürlich gerettet kann sie werden, die Kunst.
In regelmäßigen Abständen fokussieren die Doppelseiten auf Hugo von Rangenstein und seine schiefe Nase. Klar konturierte Illustrationen folgen mit Bildwitz dem Schicksal des Gemäldes, das im bunten Treiben des Museums nur einen Aspekt darstellt. Es soll auch eine große Alfons Gronzenberg-Ausstellung aufgebaut werden. Schließlich ist er der hochberühmte Erschaffer des kleinen Hugo. Allein: Wer Kunstwerke ausstellt, muss sie auch entsprechend vor den Umwelteinflüssen in einem Museumsraum schützen. Wer hätte gedacht, dass nicht nur Licht, Temperatur und Schmutz eine Rolle dabei spielen, sondern auch die Umtriebigkeit zahlloser Insekten? Gefleckter Pelzkäfer oder Tapetenmotte gehen dabei eine unheilvolle Allianz mit Schadstoffen oder Klimaeinflüsse ein. Da bedarf es durchaus der Superheld*innen-Qualität eine Restauratorin, um all diese "falschen Freunde" der Kunstwerke abzuwehren und auch Krankheiten wie die "krepierte Firniss" zu erkennen. Wer so viel zu tun hat, kann schon mal drauf vergessen, dass Hugo von Rangenstein noch immer mit ungepinseltem Näschen im "Restroom" wartet und schon langsam ein wenig unflätig wird
"Warum mache ich das eigentlich?", fragt sich da selbst die geneigteste Restauratorin. Nun: "Indem wir Kunst erhalten, erhalten wir auch das Gedächtnis der Menschheit." Dies nur eine, wenn auch gewichtige Antwortmöglichkeit. Und natürlich wird Kunst im Sinne unseres kulturellen Gedächtnisses umso mehr Freude machen, umso besser wir sie kennen. Dafür ist mit diesem grandiosen Sachbuch nicht nur ein erster Schritt getan, sondern gleich ein ganzer Kunst-Thriller am Start.

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